Hier gelangen Sie zur Petition zum Finanzamt Saarbrücken
An die Staatskanzlei Saarland und die Ministerien
der Finanzen und für Wissenschaft,
für Bildung und Kultur,
für Inneres, Bauen und Sport,
für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz
Saarbrücken, den 15. Juli 2024
Betr. Beschlossener Abriss des Finanzamts am Stadtgraben 2-4, Saarbrücken
Offener Brief
mit Forderungskatalog im ö>entlichen Interesse
von Verbänden und Vereinen der Architektur, der Stadtplanung, der Denkmalpflege, der Bürgerschaft und des Klimaschutzes im Saarland
I. DENKMALSCHUTZ — Die Saarländische Baukultur der Nachkriegszeit der 1950er und 1960er Jahre gehört zur architektonischen Avantgarde, ist steinerne Landesgeschichte und Teil des europäischen Kulturerbes. Das Finanzamt – bekannt als das ‚Behördenhaus‘ – war das erste moderne Verwaltungsgebäude in Saarbrücken und wurde entsprechend der Stadtplanung von George-Henri Pingusson und dem Entwurf von Regierungsbaurat Walter Wundrack gebaut. Es ist bis heute ein qualitätvolles Zeugnis der französisch geprägten Wiederaufbaujahre an der Saar und der jungen Demokratie in Deutschland im Aufbruch des Saarlands nach
Europa. Dies sind die Gründe, warum dieses Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde und diesen Status bis heute innehat. Auf der Basis seines Denkmalschutz-Status ist ein Abriss des Finanzamts aktuell nicht in Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen dokumentierten Willen möglich. Ein Abriss würde insbesondere eine Zerstörung eines Teils unserer einzigartigen Baukultur und Landesgeschichte bedeuten. Siehe auch die Pressemitteilung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz vom 15.07.2024 zum Beschluss des
FA-Abriss vom 10.07.2024.
1. Forderung
Wenn das Finanzministerium des Saarlandes das Baudenkmal Finanzamt abreißen lassen möchte, ist zuvor ein Entzug des Denkmalstatus erforderlich, der durch einen transparenten, demokratischen Prozess abzulaufen hat. Dabei ist zu begründen, warum das Saarbrücker Finanzamt keinen Denkmalstatus mehr verdient.
Das Ergebnis eines solchen gesellschaftlichen, transparenten Diskussionsprozesses kann sein:
• Das Gebäude behält seinen Denkmalstatus.
• Das Gebäude behält seinen Denkmalstatus in Teilen.
• Das Gebäude verliert seinen Denkmalstatus.
II. KLIMASCHUTZ durch WEITERNUTZUNG — Selbst bei Totalverlust des Denkmalstatus handelt es sich immer noch um ein Gebäude von beachtlicher Größe mitten in Saarbrücken. Der Gebäudesektor ist für ca. 40 % der weltweiten Co2-Emissionen verantwortlich. 70% aller
Treibhausgase entstehen beim Bauen. Das Bauen in Deutschland ist aktuell für ca. 50% der gesamten Müllaufkommens verantwortlich. Ein Abriss des Finanzamtes würde den Müllberg weiter erhöhen. Jede Vermeidung eines (Komplett)-Abriss stellt damit einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit dar.
Desweiteren ist zu beachten, dass bei der Erstellung des Gebäudes bereits erhebliche Mengen Energie und Ressourcen verbraucht und erhebliche Mengen CO2 freigesetzt wurden, seine
„Graue Energie“. Die Berechnung des CO2-Äquivalents des Gebäudes, das durch eine Sanierung bzw. Umbau anstatt Abriss eingespart werden könnte, kann grob geschätzt werden: Das Gebäude ist ca. 12 m breit und 126 m lang und hat 6 Geschosse mit 236 Räumen. Die in der Stahlbetonkonstruktion, Betondecke und Betonaußenwänden steckende Graue Energie beträgt grob geschätzt 30 Millionen kWh, die bei einem Abriss verfallen würden (Bei dieser Berechnung wurden die Innenwände nicht mitgerechnet, da diese bei Sanierung wahrscheinlich ebenfalls abgerissen würden). Die mit dem Abriss der Betonkonstruktion freigesetzte CO2-Menge wird daher auf mindestens ca. 7.150 Tonnen CO2 abgeschätzt. Zum Vergleich: Ein Einfamilienhaus mit Ölheizung verursacht pro Jahr im Durchschnitt rund 5 Tonnen CO2, also entspräche der CO2- Ausstoß des Finanzamts bei Abriss dem Jahresverbrauch an Heizöl von über 1.400
Einfamilienhäusern.
Die Landesregierung hat eine Vorreiterrolle auch beim Klimaschutz einzunehmen. Ihr gerade neu gesetztes Ziel, bis 2030 65% der CO2-Emissionen einzusparen, kann jedoch nur gelingen, wenn unnötige CO2-Emmissionen eingespart werden und Sie mit gutem Beispiel vorangehen. Ein Abriss des Finanzamts mit anschließendem Neubau würde erneut den Verbrauch mindestens der gleichen Menge Energie und die Freisetzung von CO2 in vergleichbarem Umfang verursachen wie der Bau des Bestandsgebäudes – ihn also verdoppeln – und damit die Zukunft der nachfolgenden Generationen zusätzlich belasten. Bauen im Bestand unterstützt Klimaschutz und Denkmalschutz.
Im Zuge der Diskussion der Um- und Weiternutzung wird als Totschlagargument ins Feld geführt, dass es ein Gutachten gäbe, das eine Weiternutzung des Gebäudes aufgrund Mängel im Tragwerk nicht erlaube. Der tatsächliche Untersuchungsauftrag sowie der Inhalt dieses Gutachtens ist allerdings nicht bekannt, denn es wurde nicht ödentlich gemacht.
2. Forderung
• Das zitierte Tragwerksgutachten zum Bestand ist öFentlich zu machen und hinsichtlich seiner Aussagen bezüglich einer Weiternutzung zu prüfen.
• Es sind alle Optionen einer Um- und Weiternutzung des Finanzamtes unter den Bedingungen der Ergebnisse aus der ersten Forderung ergebnisoFen zu prüfen. Eine Berücksichtigung zukünftiger Nutzungswünsche ist dabei selbstverständlich. Die Untersuchung sollte allerdings ergebnisoFen auch in Hinsicht einer möglichen Weiternutzung erfolgen. Hierfür ist u. E. ein Wettbewerbsverfahren die beste gesellschaftliche Möglichkeit. Das DGNB – Snap – System (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen - Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben) sollte dabei Grundlage des Wettbewerbs sein. Dadurch wird eine abgewogene Berücksichtigung von Ökonomie, Funktion und Ökologie garantiert.
Das Ergebnis der 2. Forderung kann sein:
• Eine Weiter- bzw. Umnutzung ist möglich und kosteneiizient umzusetzen.
• Eine Weiter- bzw. Umnutzung ist theoretisch möglich, aber nicht kosteneiizient umzusetzen.
• Eine Weiter- bzw. Umnutzung ist nicht möglich.
III. OFFENES WETTBEWERBSVERFAHREN — Sollte sich also aus diesem Prozess ergeben, dass ein Abriss des Gebäudes zwar keine gute, aber die einzige Möglichkeit wäre, so würde sich auf einer zentralen Stelle in Saarbrücken eine Leerstelle ergeben. Tabula rasa. Dieses Grundstück hat aufgrund seiner Lage große Bedeutung für das Stadtbild, für das soziale Zusammenleben und die Entwicklung Saarbrückens. Aufgrund der Bedeutung und Lage dieses Grundstückes ist es gesellschaftlich, städtebaulich und architektonisch deswegen undenkbar, dass die Entscheidung, was mit diesem Grundstück passiert, einem privaten Investor überlassen wird, der hauptsächlich seinen privaten Interessen verpflichtet ist. Die Planungshoheit für den Städtebau liegt bei der Kommune, bei der Allgemeinheit und darf nicht leichtfertig aus der Hand gegeben werden.
3. Forderung
Sollte durch den o. g. gesellschaftlichen Prozess ein Abriss des Finanzamts die einzige verbliebene Option sein, so ist ein städtebauliches Wettbewerbsverfahren durchzuführen, das die Entwicklung dieses städtebaulichen Teilbereiches Saarbrückens untersucht, die Bürger und Kommune beteiligt und Optionen einer weitgehenden Nachhaltigkeit aufzeigt. Bei der Vergabe sollten regionale, nachhaltig arbeitende Handwerksbetriebe bevorzugt werden.
Die Unterzeichnenden (in alphabetischer Reihenfolge)
arbakus – Archiv für Architektur und BauKultur Saar Großregion e.V.
Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA Landesverband Saar e.V. Bund für Umwelt und Naturschutz Ortsgruppe Saarbrücken BUND
Deutscher Werkbund Saar
Energiewende Saarland e.V. Fridays for Future Saarland Greenpeace Saar
htw saar / Schule für Architektur Saar: Prof. Heiko Lukas, Prof. Jens Metz, Prof. Matthias Michel,
Prof. Ulrich Pantle
Saarbrücker Bürgerforum e.V.
Saarländischer Verein für Denkmalschutz e.V. Städtebaubeirat in der Landeshauptstadt Saarbrücken Stiftung Baukultur Saar
Kontakt:
Archiv für Architektur und BauKultur Saar Großregion – arbakus e.V. c/o baubar urbanlaboratorium
z. Hd. Dr. Mona Schrempf Uhlandstraße 18 D-66121 Saarbrücken email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!